Sonntag, 11. Januar 2009

Mirror's Edge

Mirror's Edge ist ein Fall von "Entwickler können sich nicht in die Lage der Spieler hineinversetzen". Es ist ein Spiel der "Prince of Persia ab Sands of Time"-Schule und der "unique selling point", wie es die BWLer sagen, ist, daß es im Gegensatz seiner Kollegen aus der Ich-Perspektive zu spielen ist. Der Wechsel zur Ich-Perspektive ist ein riesengroßes Unterfangen für die Entwickler, denn es bringt neue Herausforderungen mit sich, die andere Spiele nicht haben. Haben Sie sich aber gefragt, ob es unterm Strich dem Spiel vom Gameplay her großartig zugute kommt und noch wichtiger, ob der Spieler was davon hat. Ich glaube nicht, denn die Antwort auf beiden Fragen ist nein.

Auch wenn es um die Gestaltung ihrer Geschichte geht, gehen sie einfach davon aus, daß die Spieler alle Demolition Man gesehen haben und wissen, daß, wenn die Welt zu sauber ist, es nur bedeuten kann, daß wir es mit einer totalitären Regierung zu tun haben, die den Menschen keine Freiheiten lässt. Und entweder weil in der Zukunft eine Firma all unsere Post lesen kann (man könnte die Firma zum Beispiel Google nennen) oder weil die normale Post so zuverlässig arbeitet wie die griechische, ist man auf die Runner angewiesen, um ein Paket von einem guten Menschen mit undefinierten Zielen zum anderen guten Menschen zu bringen. Oder so. Was ich sagen will, ist, daß die Geschichte des Spiels uninteressant, lückenhaft, unlogisch und besser als die von Devil May Cry 4 ist.

Bringen wir alle Schwächen hinter uns, damit ich mich auf die Stärken des Spiels konzentrieren kann. Für ein Spiel, in dem Bewegung eine grundlegende Rolle spielt, sind die 30 FPS dumm. Was zum Geier haben sie sich mit der niedrigen Framerate erkauft? Die Szenenkomplexität ist vernachlässigbar. Die Umgebung besteht zum größten Teil aus Quadern, es gibt nicht viele Gegner oder Physik oder raffinierte Schatten oder sonstwas. Ich vermute, wir kriegen besseres Anti-Aliasing oder Motion Blur. Vielen Dank dafür! ...Penner!

Eine weitere Schwäche ist, daß die Kollision ab und zu (recht selten) nicht so sauber funktioniert, vor allem, wenn es um das Klettern von Rohren geht. Und etwas, das die Egoperspektive mit sich bringt: man verbringt viel Zeit, in der man aus nächster Nähe Wände anschaut, während man in anderen Spielen schön animierte akrobatische Bewegungen des Charakters anschauen kann. Nicht nur, daß Wände ihren Reiz recht schnell verlieren; man kann sich schlecht, wenn man irgendwo hängt, eine Übersicht verschaffen, wo man als nächstes hinsoll und man muß sich auf sein Gedächtnis verlassen, das einem sagt, was man alles gesehen hat, als man an das Hindernis herankam. Das waren erstmal die Schwächen.

Ich habe eine Hose wie diese in braun
Das hört sich alles schlimmer als es tatsächlich ist. In der Regel hat man zwei Sekunden, bevor man eine Wand anschaut, gesehen, wie es weitergeht, deswegen wird das Gedächtnis nicht gerade überstrapaziert. Das Spiel macht sogar ein paar raffinierte Sachen, um dem Spieler zu helfen, seinen Weg zu finden. Es signalisiert dem Spieler mit Farben, wie er sich weiter fortbewegen kann. Offiziell gibt es die "Runner's Vision", die (wenn eingeschaltet) Elemente des Hauptwegs rot einfärbt. Andere etwas herausstechende Farben werden je nach Umgebung verwendet, um benutzbare/kletterbare(?) Objekte zu signalisieren. Das ganze funktioniert, ohne das grafische Gesamtbild kaputtzumachen, eher das Gegenteil. Es ist schwierig zu beschreiben, vermutlich unmöglich in der Form von anderen Entwicklern nachzuahmen und deswegen habe vorhin das Wort "raffiniert" benutzt. Dazu gibt es eine Taste, die man drücken kann, womit dann automatisch das Sichtfeld sich in die Richtung dreht, in die man sich bewegen soll.

Von den inhärenten und unausweichlichen Nachteilen der Egoperspektive im Zusammenhang mit Akrobatik abgesehen, hat DICE gute Arbeit geleistet, das Durchstreifen der Welt so geschmeidig wie möglich zu machen. Für geübte Spieler ist dieser Aspekt des Spiels mit einem modernen Prince of Persia oder Tomb Raider vergleichbar. Was DICE ebenfalls gut hingekriegt hat, ist das Gefühl, Teil der Spielewelt zu sein. Arme und Beine sind sichtbar und verhalten sich so, wie man es von ihnen erwartet. Wenn man zum Beispiel gegen eine Wand läuft, dann stützt sich Faith (die Protagonistin) ab. Eine Tür macht man rennend anders auf als stehend und man "spürt" den Schlag.

Ich habe einen Hubschrauber wie diesen in braun
Auch wenn spielerisch nichts großartig neues passiert, kriegt das Spiel das "Gefühl" richtig hin und das ist, was es von anderen Spielen abhebt. Es gab bisher wenige Versuche in Spielen aus der Egoperspektive, dem Spieler das Gefühl zu geben, einen Mensch und keine Kamera zu steuern, und noch weniger, die erfolgreich waren. In Mirror's Edge kommt dazu, daß man Teil einer Welt ist, die man in Videospielen bisher nicht gesehen hat. Es gibt ein paar Momente mit großartigen Lichtspielereien, die das Bild realer als real aussehen lassen. Anders kann ich es nicht beschreiben. Von dieser Welt möchte mehr haben.

Und hier kommt die größte, einzig relevante Schwäche des Spiels. Alle anderen, die ich erwähnt habe, sind vernachlässigbar ...bis auf die Framerate. Das Spiel lässt einem nicht oft genug Gelegenheit, die Welt zu genießen. Die Hälfte des Spiels wird man durchs Spiel gejagt. Das ist wörtlich zu nehmen. Man wird von der Polizei gejagt. An der Ecke des Bildschirms huschen ständig auf Nimmerwiedersehen einzigartige Räume und Orte vorbei, denen man ansieht, wenn man sich Zeit nimmt, daß sie viel Arbeit gekostet haben. Mirror's Edge ist zur Hälfte ein Rennspiel, obwohl es zur Hälfte ein Action-Adventure sein sollte.

2 Kommentare:

Krystian Majewski hat gesagt…

Vielen Dank dafür! ...Penner!

HAHAHAHA!!

Aber im Ernst - die Demo sah' gut aus. Was ich etwas schade finde ist dass solche Spiele ziemlich blöd werden wenn man als Spieler mal wieder auf dem Schlauch steht. Da erwartet das Spiel ganz offensichtlich dass ich mit einem Affentempo durch die Architektur sause. Bei mir sieht es dann aber doch wie ein Rundenbasiertes Strategiespiel aus - komplett mit Quicksave Creep. Die Runners Vision hat mir kaum geholfen - da ist irgendwie alles irgendwo bunt. Gewöhnt man sich daran? Gehen die späteren Level dann doch flüssiger oder bleibt es bei Trial and Error?

Ich warte zumindest erstmal den DLC Pack ab.

Pasco hat gesagt…

Entweder gibt es in der Konsolenversion kein Quicksave oder ich habe es einfach nicht benutzt.

Die Runner's Vision ist immer rot und zeigt den "richtigen" Weg. Die anderen Farben werden nur benutzt, um hervorzuheben, welche Objekte grundsätzlich greifbar sind.

Trial & Error gibt es in unregelmäßigen Abständen vor allem, wenn man wie ich durch das Spiel ohne zu schießen will. Die Demo ist allerdings der Anfang des Spiels und deswegen auch der leichteste Teil.

Insgesamt muß ich sagen, daß ich das Spiel trotz der Macken so schnell durchhatte wie kaum ein anderes (ein paar Tage). Auch wenn der Urlaub eine Rolle gespielt hat, kann ich mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal drei Stunden am Stück was gespielt habe. Für Resident Evil 4 habe ich ein halbes Jahr gebraucht.