Donnerstag, 9. April 2009

Bangaio Spirits

Bangaio Spirits ist ein Paradebeispiel dafür, daß numerische Wertungen für Spiele keinen Sinn ergeben. Eurogamer gibt eine 10. (Bitte lest das Eurogamer Review nicht! Ich habe es erst nach dem Verfassen meines Texts gelesen und gemerkt, wie ähnlich es ist.) Wenn sie eine 1 gegeben hätten, hätte ich es genauso nachvollziehen können.

Abertausende von Lesern fragen sich jetzt "Was hat er jetzt schon wieder eingenommen?". Die Antwort ist: zwei Corny-Müsliriegel mit Schokobananegeschmack, 4 Pick-up Choco-Milch Keksdinger von Bahlsen, eine Tasse Pfefferminztee von Lord Nelson, eine heiße Zitrone in Pulverform mit zuviel Zucker drin, übriggebliebenes Weihnachtsgebäck, Wasser, Hohes C milde Orange und einen Teller gebratene Nudeln mit Huhn, Soja, Gemüse usw. Zusammenfassend: zuviel Zucker.

Bangaio Spirits ist ein Ballerspiel, das so tut, als hätte es die späten 90er nicht gegeben. Es hat Qualitäten der Spiele der frühen 90er, bricht aber bewußt deren Konventionen, die heute wiederum keine Rolle spielen. Das macht das Spiel multidimensional seltsam. Ich muß mit dem Kopf zwei Zeitreisen hin und her machen, um überhaupt zu verstehen, was ich in den Händen halte. Die 14jährige von heute, die Foren mit Schreie der Entrüstung füllen, weil Death Tank 1200 Punkte kostet, werden mit Bangaio überhaupt nichts anfangen können. Bangaio weiß das genau und sagt es einem in der Endsequenz.

Worum geht's? Man steuert einen Riesenroboter, der im Bildschirm sehr klein ist, in Levels, die sich sowohl horizontal wie auch vertikal erstrecken, und tötet Gegner, indem man auf sie schießt. Einer oder mehrere dieser Gegner sind auf der Karte, die einen der zwei Bildschirme belegt, als "Target" markiert. Wenn man sie besiegt, hat man das Level geschafft und kriegt die Punkteanzahl und die Zeit, die man gebraucht hat, angegeben, damit man sie mit die der Freunde vergleichen kann. Man würde es zumindest tun, wenn es ein Live Arcade Spiel wäre. Die Levels dauern in der Regel nicht mehr als 2 min und es gibt etwa 160 davon. Vor jedem Level wählt man in einem Menü zwei Waffen aus, die manchmal kombiniert werden können, und dann noch zwei zusätzliche Waffen, die als quasi Smartbomb benutzt werden. Eine Smartbomb in Bangaio ist das Entladen von mehreren Geschossen auf einmal. Je nachdem wie lange man die Taste vor dem Schuß gedrückt hält und wie nah gegnerische Geschosse sind, kann man sich die Kraft von 400 Geschossen auf einmal zunutze machen. Die Smartbombenergie lädt sich, wenn man Früchte sammelt, die getötete Gegner zurücklassen oder wenn man verletzt wird. Es gibt abprallende Geschosse, die man nutzen kann, Lenkgeschosse, explodierende Geschoße blah Geschosse blah und einen Baseballschläger(!?) mit dem man gegnerische Geschosse zurückschicken kann.

The Chaos Engine
Leider (oder zum Glück) gibt es auch Gegner mit Baseballschläger, die die zurückgeschickten Geschosse zurückschicken können. Dann gibt es noch schnellere Gegner, stärkere Gegner, Riesengegner, Quellen von Gegnern, Quellen von Extraenergie, Extraenergie, Gegner, die Smartbombs zünden können wie der Spieler selbst, Gegner, die zeitweise unverwundbar sind, und Ameisen. Und jetzt stellt euch vor, daß diese Gegnerarten in Massen und gemischt auftreten, so daß man 100 Geschosse auf einmal auslöst, um mit einem Dutzend Gegner fertigzuwerden, und sich dahinter eine Basis befindet, die die übriggebliebenen Schüsse des Spielers in eigene verwandelt und zurückschickt. Und jetzt stellt euch vor, daß die Levels aus normalen Wänden bestehen, aus Elementen, die man wegschießen kann, aus explodierenden Elementen, die nebeneinander Kettenreaktionen verursachen, aus Blöcken, die man mit einem Schub fliegen lassen kann und die bei Berührung weitere Blöcke mitnehmen, so daß man mit einem Schub eine Armee von Blöcken mobilisieren kann, die eine Gegnerwelle angreift. Einen Fußball gibt es auch. Und Sokoban ist auch integriert.

So wie die Bibel das Buch der Bücher genannt wird, ist Bangaio das Spiel der Spiele. Von den Tutorials abgesehen (wo ich mehrmals gestorben bin) gibt es keine Dialoge, keine Charaktere, keine Erfahrungspunkte, nichts zum freispielen. Es ist ein Haufen Spielelemente, die aufeinanderprallen, und heraus kommt Unterhaltung. Es ist chaotisch aber der Spieler hat gewisse Freiheiten, seine Herangehensweise selbst zu bestimmen und die Levels sind trotz des Chaos sehr gut schaffbar, vor allem im Vergleich zu anderen Treasure Spielen. Manche Levels ordnen die Spielelemente so, daß sich vorsichtig gebaute Rätsel ergeben. Manche fordern mit bestimmten Gegnerkombinationen eine geschickte Auswahl an Waffen. Manche sind recht strukturlos und überwältigen einfach nur mit einer großen Masse von Gegnern aus alle Richtungen, wobei noch mehr kommen, wenn man unvorsichtig ist und neue Wege frühzeitig öffnet.

Wenn man nichts erkennt, ist es normal.
Das Spiel ist anarchistisch und es ist ihm offensichtlich egal, wie chaotisch es stellenweise ist. Je nachdem wie der Spieler damit zurechtkommt, könnte er es zurecht verwerfen. Einige Levels sind gameplaytechnisch gesehen sehr vorsichtig zusammengestellt worden. Andere existieren nur, damit auf dem Kartenbildschirm ein bestimmtes Bild zu sehen ist. Manche Levels sind herausfordernd, gleich danach könnte eins kommen, das sich fast von selbst spielt. Es ist soviel los, daß das Spiel länger im Slowdownmodus läuft als in seiner Normalgeschwindigkeit. Die langsamere Spielgeschwindigkeit ist oft nötig, um das Spiel nicht zu schwierig zu machen, aber sie fällt nicht nur auf die Hälfte sondern auch auf ein Viertel und ein Achtel. Einmal habe ich es mit dem Zünden einer vierfachen Smartbomb geschafft, das spiel zu einer dreisekündigen Pause zu bringen. Einige Levels sind so voll mit Zeug, daß das Spiel ohne daß überhaupt was passiert, gleich mit einem Viertel an Spielgeschwindigkeit anfängt. Und manchmal ist soviel los auf dem Bildschirm, daß ganze Zeilen an Sprites nicht gezeichnet werden, so wie in den guten alten NES Zeiten.

Es gibt einen Zweispielermodus, den ich nicht ausprobiert habe, weil ich keinen kenne, der das Spiel hat, und einen Leveleditor, den ich nicht ausprobieren wollte, weil ich nach 160 Levels gedacht habe, daß das Spiel sein Pulver verschossen hat. Die Neugier war stärker, also bin ich eingestiegen und habe mich gefragt, warum das Steuerkreuz nichts macht. Dann habe ich mich daran erinnert, daß das DS einen Stift hat. Um es kurz zu machen, ich habe in kürzester Zeit (innerhalb einer Klositzung) ein Donkey Kong-mäßiges Level gemacht, in dem man im Zickzackmuster nach oben kämpft, habe es ausprobiert und ich hatte Spaß daran. Es kam etwas heraus, das mit meiner inzwischen angesammelten Bangaio Erfahrung recht leicht zu spielen war, wo man aber trotzdem sterben konnte und am Ende sowas wie einen Endgegnerkampf hatte. Mein Verstand sagte mir, es ist unmöglich, daß man innerhalb von 2 min ein Level zusammenbauen kann, das angenehm zu spielen ist, also habe ich es nochmal gespielt und dann nochmal und nochmal und es war jedesmal gut. Wicked!

Und jetzt gebt euch, wie man selbstgemachte Levels mit anderen austauscht, zumindest, wenn ich es richtig verstanden habe. Man lässt das Spiel die Leveldaten in ein Audiostream codieren, wie die Spiele zu C64 Zeiten auf Kasseten bespielt wurden, lässt es über den DS Lautsprecher ausgeben und nimmt es mit Mikrofon auf. Wenn man die Daten auf einem anderen DS haben will, dann legt man einen Ohrkopfhörer auf dem DS-Mikrofon und lässt es vom DS aufnehmen.

...

Das Spiel hat mich neu 10€ gekostet und das ist es auf jeden Fall wert. Auf dem PSN wäre es besser aufgehoben, weil man dort einen online Highscorevergleich machen könnte, einen bequemeren Levelaustausch (was auf XBLA nicht erlaubt ist) und bessere Steuerung, die der Dreamcaststeuerung näherkommt.

4 Kommentare:

Yu-Chung Chen hat gesagt…

ich war schon einige Male kurz davor, das Spiel zu kaufen. Jetzt muß ich nur noch wissen, wo man es für 10 Euro neu bekommt.

Pasco hat gesagt…

http://www.game.co.uk/DS/Action/~r335555/BangaiO-Spirits/

Wird wohl insgesamt so um die 13 kosten aber es ist zu verschmerzen.

Das nächste Mal, wenn ich Street Fighter spiele und du das Spiel auch einlegst, lade mich ein.

Yu-Chung Chen hat gesagt…

Danke für den Link.

Ich merke aber dann gerade, eigentlich habe ich keine Lust, mich schon wieder irgendwo anzumelden (habe erst für das SF4 Pad, das ich für einen Match mit Dir unbedingt brauche).

Willst Du es nicht für mich bestellen und einfach meine Anschrift benutzen? :p

Pasco hat gesagt…

Wie war das? Du willst dafür die Grafik für mein neues Spiel machen, das eine moderne Version von Space War mit Geometry Wars Steuerung ist?