Ich habe 15 Jahre lang auf so ein Spiel gewartet. Da macht es mir auch nicht soviel aus, daß es ein paar Rollenspielelemente hat.
Gute 15 Jahre ist es nämlich her, daß Earthworm Jim veröffentlicht wurde und seitdem gab es kein 2D-Actionspiel, das von der Grafik her es mit dem Spiel auch annähernd aufnehmen konnte. Was andere 2D-Spiele nämlich nicht mal versuchen, ist, dem Spieler ihre Tile(Neudeutsch für Fliesen)-struktur zu verbergen. Erstens hat das Mega Drive Aladdin und Earthworm Jim vor anderthalb Jahrzehnten gezeigt, daß das Bild nicht wie von einer Maschine zusammengestellt aussehen muß, zweitens gibt es seit mindestens ein Jahrzehnt keine Notwendigkeit mehr, in 2D-Spielen gleichgroße Tiles zu verwenden, so daß nicht mal was versteckt werden muß. Ich empfand im Jahr 1995 diese ständigen Wiederholungen von grafischen Mikroelementen als störend und bisher hat sich das nicht geändert. Ich will, daß die Kunst im Bild und nicht im Tile steckt.
In Muramasa ist ein Tile etwa 6 Bildschirme groß und wundervoll realisiert. Die Wiederholungen treten dann trotzdem ein und zwar viel öfter als mir lieb ist. Diesmal muß nicht der grafische Eindruck darunter leiden sondern die Orientierung des Spielers, vor allem, wenn man in Betracht zieht, daß in den Sprüngen zwischen den Bildschirmen krasse Änderungen passieren und man nie den Eindruck kriegt, in einer konsistenden Welt unterwegs zu sein. Ohne die Karte und die Pfeile wäre man komplett orientierungslos. Ein Glück, daß sich die Karte in verschiedenen Stufen von Übersichtlichkeit vs. Verdecken des Bildschirms einblenden lässt und man in Echtzeit darauf verfolgen kann, wie man sich durch die Welt bewegt.
Der Rest der künstlerischen Aspekte braucht sich auch nicht zu verstecken. Das Spektrum, das die Musik abdeckt reicht von OK bis überwältigend (komischerweise eher in den melancholischen Stücken). Die Animationen sind gut, kommen aber keineswegs an Earthworm Jim ran. Das liegt einerseits daran, daß es vermutlich keinen Japaner gibt, der so ausdrucksvoll animieren kann (oder will) wie die besten Amerikaner, und andererseits daran, daß vor allem die Animationen der größeren Gegner vielleicht aus Speichergründen, vielleicht aus Kostengründen an Flash erinnern. In diesem Fall ist es nicht so, daß die Gliedmaßen wie in Castle Crashers nur rotiert werden. Nach der Rotation wurden sie in jedem Frame etwas überarbeitet, was den Aufwand des Clean-ups des Frames drastisch reduziert, was aber auch recht starr wirkt und nur auf dem Papier als Full-Animation durchgeht. Nichtsdestotrotz sieht Muramasa insgesamt bezaubernd aus. Die Bildkomposition ist super, die Farbwahl auch, die Charaktere ansprechend. Technisch billige aber extrem geschickt eingesetzte Lichtspiele tragen viel dazu bei. Von seiner Wirkung her würde ich sagen, daß es so ist, wie ein Samurai Shodown Action RPG aussehen sollte.
Widmen wir uns der Spielbarkeit, damit ich auch mal zum essen komme.
Man spielt die Geschichte von zwei Charaktere, die eine Reihe von Missionen abarbeiten. Das Spiel zeigt den kürzesten Weg zum nächsten Endgegner, von dem man abweichen kann, um Boni zu sammeln, einzukaufen oder um Höhlen mit extraschweren Prüfungen zu betreten. Halbzufällig wird der Lauf des Spielers unterbrochen, der Bildschirm scrollt nicht mehr und ein Batzen Feinde erscheint, die mit vielen Air-Juggles entfernt werden müssen. Mit zunehmender Spieldauer spielt Geschicklichkeit eine geringere Rolle am Erfolg des Spielers. Wichtiger ist, daß man eine gute Entscheidung bei der Auswahl von drei Schwertern aus den Dutzenden, die man hat, macht, so daß einem für die Feinde geeignete Specials zur Verfügung stehen, und daß man den Umgang mit den Energiebalken der Schwerter beherrscht, so daß man Combos, Items, Specials und Waffenwechsel mit Smartbomb-Wirkung mit maximaler Effiezienz abwechselnd einsetzen kann.
Ob Standardgegner einen töten oder nicht, spielt keine Rolle, weil das Spiel den Spieler dafür nicht bestraft... Punkt. Die Endgegner und die Höhlen mit den Prüfungen sind das interessanteste an den Kämpfen. Ich habe nichts dagegen, wenn sich in einem Spiel stressigere und ruhigere Situationen die Hand geben, aber weil sich die ganze Welt einig ist, daß heutzutage ein Spiel 30 Stunden zum Durchspielen brauchen muß, wiederholen sich die Standardgegner und die daraus resultierenden Kämpfe (und wie erwähnt die Hintergrundgrafiken) viel zu oft. Ich kann verstehen, wenn jemand allein aus dem Grund das Spiel aufgibt. Das hat mich nicht aufgehalten, weil die Welt exakt meinem Geschmack trifft, ich im Gegensatz zu Okami ab und zu gestorben bin und im Gegensatz zu Okami keine halbstündigen Dialoge aushalten mußte.
Die Dialoge waren ein unerwartetes Vergnügen. Sie kommen fast nur vor und nach einem Endgegnerkampf vor und sind schwierig zu beschreiben. Sie haben was stakkatomäßiges. Man läuft von einem zum nächsten nebeneinander in einem Bildschirm aufgestellten Charaktere und hört sich an, was sie zu sagen haben. Die Dialogzeilen werden wie in einem Hörspiel vorgetragen mit extrem theatralischen Stimmen. Die Inhalte der Dialoge sind einzigartig in einer Art und Weise, wie es nur Japaner können. Sie vermitteln ein Wertesystem, das fremd ist, und das man trotzdem annimmt. Sie tragen Poesie und sind trotzdem verständlich. Wenn ich von Schwerter höre, die so dürstig sind, daß sie nicht in ihre Scheide zurückgesteckt werden können, wenn sie nicht Blut geschmeckt haben, kann ich nicht anders als grinsen.
Muramasa hat Schwächen. Muramasa ist ein Zusammenschluß der coolsten japanischen Spielcharakteristika.
Muramasa läuft mit 60FPS.
2 Kommentare:
In deiner Begeisterung für das Spiel hast du vergessen zu sagen, auf welcher Plattform das läuft!1
Wenn ich das nicht vergesse, dann steht das am Ende des Eintrags unter den Tags, neben dem Link für Kommentare: also diesmal Wii
Was ich tatsächlich vergessen habe, ist zu erwähnen, daß die Wii Standardcontroller dafür zu schlecht sind und man einen Gamecube oder Classic Controller haben sollte.
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