Machen wir mal einen kleinen Exkurs in die Wipeout Geschichte.
Wipeout (PS1): hat eine Bedeutung, die man in Worten nicht fassen kann. Es ist das erste modebewußte Videospiel. Ein Spiel, das wie andere Spiele eine eigene Welt aufbaut, das aber im Gegensatz zu anderen Spielen, die zuvor kamen, weiß, wo es sich in der realen Welt befindet. Es ist gleichzeitig ein Teil des Videospieltums und der Pop-Kultur im Gegensatz zu Metal Gear Solid zum Beispiel, das ein Videospiel ist, das bestenfalls Pop-Kultur erfolgreich kopiert. Von seiner Bedeutung abgesehen ist es ein sehr gutes Rennspiel, das für Konsolenverhältnisse ungewöhnlich physikalisch ist.
Wipeout 2097 (PS1): bringt kaum was Neues auf dem Tisch und ist eher eine neue Iteration derselben Formel, was keinesfalls ein Vorwurf sein soll. Je nach Geschmack, was Musik und Streckendesign angeht, finden es manche besser oder schlechter als den Vorgänger. Ich habe beide nicht bis zum Exzess gespielt und habe deswegen keinen Liebling. Meiner Erinnerung nach ist Teil 2 technisch zumindest etwas sauberer.
Wip3out (PS1): kam, bevor l33tsp34k in und wieder aus der Mode kam. Ich habe es nie gespielt. Die Meinung des Spielertums ist wohl, dass es in Ordnung geht aber dass es schwächer als die ersten beiden ist.
Wipeout Fusion (PS2): ist meiner Erinnerung nach bei einem Team entstanden, das keinen der alten Entwickler noch an Bord hatte. Soweit es mich betrifft, war es nur dem Namen nach ein Wipeout. Vor allem das Gleiterverhalten, auf dem keine Kräfte gewirkt haben sondern das auf eine feste Höhe vom Boden aus gesehen „klebte“, hat für diese meine Ansicht beigetragen. Die auch in anderen Aspekten stümperhafte Technik mit Rucklern und Auflösungswechsel mitten im Spiel und der Waffenoverkill haben dem Spiel den Rest gegeben.
Wipeout Pure (PSP): tut so, als ob die PS2 Version nicht existiert und versucht halbwegs erfolgreich, die PS1 Wipeouts in neuer Form wieder aufleben zu lassen. Die Flugphysik der Gleiter ist zurück. Die Kollisionsphysik mit den Banden oder den Boden funktioniert aber nicht richtig. Teilweise landet man nach einem Sprung in den Boden oder der Gleiter zittert, weil er sich in einem Zustand befindet, von dem er nicht rauszukommen weiß. Das Spiel ist veröffentlicht worden, bevor es fertig war. Anders kann man es nicht sagen.
Wipeout Pulse (PSP): teilt grob gesehen dieselben Charakteristika mit dem ersten PSP Teil, nur ist es in jeder Hinsicht besser (oder weniger schlecht). Man kann immer noch durch Wände fliegen, nur sind sie schwieriger zu finden.
Wipeout HD (PS3): ist Wipeout wie es sein sollte. Ich meine gelesen zu haben, dass die Strecken von den PSP Versionen übernommen wurden, zumindest bei Wipeout HD aber ich bin jetzt zu faul nachzuschlagen, was neu ist und was nicht.
Die Framerate ist zum ersten Mal die einzig vernünftige (60FPS), zumindest wenn man nicht im Splitscreen spielt. Es gibt einen online-Modus, den ich nicht ausprobiert habe und der einen mit Braveheart-BluRay-Werbung belästigt. Man fliegt grundsätzlich nicht durch Wände! Die Steuerung sitzt. Das Streckendesign ist gut. Die Musik von HD im Doppelpack, die komischweise eine andere ist als die in Wipeout HD ohne Fury, ist nach meinem Empfinden vergleichbar zu der der besseren Wipeouts d.h. ein Drittel finde ich gut, ein Drittel tragbar und ein Drittel unerträglich. Die Musik vom standalone HD finde ich komplett unerträglich. Kurz: Wenn man Wipeout mag und eine PS3 hat, gibt es grundsätzlich keinen Grund, es sich nicht zuzulegen. Es sei denn, man gehört zu den Leuten, die sich nicht vorstellen können, Wipeout ohne neGcon zu spielen.
Ich werde jetzt ein paar Schwächen aufzählen, wobei ich denke, dass sie das Spiel nicht schwächer als die ersten zwei Wipeouts machen, sondern dass sie der Missionsstruktur wegen früher oder öfter auffallen. In Wipeout HD spielt man durch 8 (?) Meisterschaften, die jeweils aus einem Batzen Prüfungen bestehen. Prüfungen können Time Trials sein (eine oder vier Runden), Einzelrennen, ein Turnier oder Zone. Zone ist ein Spielmodus, in dem der Computer automatisch Vollgas gibt und man alleine auf einer Strecke fährt und versucht trotz der stufenweise steigenden Maximalgeschwindigkeit möglichst lange zu überleben.
Im Gegensatz zu den alten Wipeouts gibt es keinen festen Zusammenhang zwischen der Schwierigkeitsstufe und der Rennklasse. Die Missionsdesigner lassen den Spieler in frühen Levels auch in der mittleren Rennklasse mitspielen, wenn sie etwas Abwechslung reinbringen wollen. Das heißt wiederum, dass der Spieler, selbst wenn er die leichte Schwierigkeitsstufe spielt (so wie ich), die Strecken zum Teil in der schnellsten Rennklasse spielen wird. Und in der schnellsten Rennklasse haben ein paar Strecken Stellen, wo die Air-brakes nicht reichen und man vom Gas gehen muß. Noch schlimmer, man muß teilweise vor bestimmten Sprüngen vom Gas gehen, um nicht zwanghaft später gegen die Bande zu knallen. Das ist an sich kein Qualitätsmerkmal für das Streckendesign aber bei mir und in diesem Spiel fühlt es sich einfach falsch an. Auch gibt es einen oder zwei Sprünge, die bei sehr hohen Geschwindigkeiten einen so stark auf den Boden krachen lassen, dass man vermutlich Energie verliert. Ich hab’s nicht nachgeprüft.
Ich habe es gelegentlich auf der mittleren Schwierigkeitsstufe gespielt und obwohl es die meiste Zeit gut lief, bin ich über eine Rennprüfung gestolpert, wo es Angriffe von den Gegnern geregnet hat, so dass ich bei jedem dritten Versuch nicht mal über die Ziellinie gekommen bin. Es gibt also „difficulty spikes“ und zwar nicht der guten Sorte.
Glücklicherweise kann man der Zerstörung entgegenwirken. Man kann, wenn man ein Extra aufgenommen hat, entscheiden, ob man es wie gedacht verwendet oder in Schiffenergie umwandelt. Andere neue Bedienmöglichkeiten sind ein kleiner Schub zur Seite, wenn man zweimal hintereinander auf die Air-Brakes drückt (wofür ich keine Verwendung hatte) und eine Seitwärtsrolle, wenn man in der Luft ist, die in einen Boost resultiert (ist mir zu Tony-Hawk-mäßig). Es gibt einen Konflikt, weil man so gut wie immer Boostmöglichkeiten kriegt, die aber in höheren Schwierigkeitsstufen, wenn man sie alle nutzt, einen zwanghaft gegen die Wand knallen lassen. Auf dem Papier bereichert so was das Spiel, weil es dem Spieler halbwegs intelligente Entscheidungen abverlangt, in der Realität verwässert es den schönen Nervenkitzel, der sich allein aus dem Zusammenspiel von sehr hohen Geschwindigkeiten und um Haaresbreite erfolgreiche Manöver ergibt.
Ich habe jetzt viel gemeckert aber Wipeout HD ist mein Lieblingsrennspiel dieser Generation. Der Kern des Spiels, die Steuerung, die Physik, die Auswirkung von Waffen, die Reaktion auf Kollisionen sind fein auf Vergnügen kalibriert und dieses Vergnügen können die paar Schwächen drum herum nicht kaputtmachen.
6 Kommentare:
Arghgh, dies ist das einizige Spiel, wegen dem ich eine PS3 vermisse. Und nach Deinem Bericht noch mehr.
Du unterschätzt Wipeout Pure. Es ist die sehr notwendige Grundlage für HD. Fast alle Strecken von HD kommen aus Pure. War damals auch ein ziemliches Killer App für die PSP.
Ich finde, auf der PSP ließ sich Wipeout weder digital noch analog steuern, und ich bin deshalb mit den PSP Wipeouts nie warm geworden, obwohl sie mich grafisch vom Stuhl gehauen haben.
Tux
Tux, was soll ich dir sagen? Ich habe die PS3 vor einem halben Jahr gekauft, weil ich zu dem Zeitpunkt zuviel Zeit (und scheinbar auch Geld) hatte. Das war das erste Mal in meinem Leben, daß ich bei einem Konsolenkauf nichts gefühlt habe. Und im nachhinein bin ich auch nicht überzeugt, daß mir eine gefehlt hätte, wenn ich sie nicht gekauft hätte. Der größte Grund, warum ich sie mir gekauft habe, war, damit ich mir nicht mehr überlegen muß, ob ich sie kaufen soll ...und daß die Next-Gen Konsolen zu lange auf sich warten lassen.
Krystian, was von dem, was ich geschrieben habe, bringt dich zu der Überzeugung, daß ich Wipeout Pure unterschätze?
Pasco: "...halbwegs erfolgreich...funktioniert aber nicht richtig...veröffentlicht worden, bevor es fertig war."
Dein Problem mit den Kollisionen habe ich nie erlebt. Pure ist für mich "Wipeout wie es sein sollte". HD ist so gesehen dann der big-console remake davon.
Was mich an HD etwas stört ist dass es ein Stückchen dreckiger und düsterer wirkt. Für mich hatte Wipeout schon immer was knalliges, abstrakt futuristisches. Diesen Style trifft Pure perfekt. Dieser Style ist der Grund für Wipeouts Erfolgt und dessen Verankerung in der Pop Kultur. Er kam auch nicht von ungefähr. Im Ur-Wipeout wurde er von der Star-Agentur The Designer Republic entwickelt. Seitdem versucht Psygnosis/SCE Studio Liverpool immer wieder das original auf eigene Faust zu imitieren. Das Ergebnis ist Hit & Miss. Pure ist es eher Hit, HD ist eher Miss.
Außerdem.
Krystian, ich verstehe immer noch nicht, was du am Text bemängelst. Mir sind Probleme mit den Kollisionen aufgefallen. Hätte ich das nicht schreiben sollen?
Davon abgesehen, daß ich den Cold Storage Track nicht leiden kann, weil House Beats boring sind, könnte ich darüber hinwegsehen, wenn der selbe Komponist in der Vergangenheit nicht auch das hier(Amiga Remix Beast 2) gemacht hätte. Das macht es deprimierend.
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