Als Xbox Live Arcade zu Xbox 1 Zeiten angekündigt wurde, habe ich mich gefreut. Ich bin ein großer Optimist.
Die Sache, die mich in der Videospielgeschichte am meisten ärgert, ist der allumfassende Umstieg von 2D zu 3D Spielen. Mitte der 90er haben die Entwickler aufgehört, sich Gedanken darüber zu machen, wie sie Geschicklichkeit im Verhältnis zu Levelkenntnis belohnen sollen, wie sie mit möglichst wenig Spielelementen möglichst viel Abwechslung schaffen sollen und waren (und sind immer noch) damit beschäftigt, herauszufinden, wie man dem Spieler eine Übersicht über das Spielgeschehen geben soll, wie man es macht, daß keine Wand zwischen der Kamera und den Spieler kommt, wie man dem Spieler zeigt, was man will, wenn er Kontrolle über die Kamera hat, und wie man dem Spieler hilft, Abstände im dreidimensionalen Raum einzuschätzen, damit er richtig springen kann. Alles Probleme, die per default in 2D Spielen nicht existieren, was unterm Strich einen Rückschritt in der Qualität der Spiele gegeben hat, von dem sich viele Videospiele immer noch nicht befreit haben. Es gibt zuviele Spiele, die 10 Mio und mehr in der Entwicklung gekostet haben und in denen es keine flüssige Bewegungen gibt, in denen der Spieler Schwierigkeiten hat, sich eine Übersicht zu verschaffen und in denen man stirbt, ohne nachvollziehen zu können, wie es dazu gekommen ist.
Es ist natürlich so, daß 3D neue Spielarten ermöglicht hat, die vor allem im Multiplayerbereich ...äh eine neue Dimension des Spiels eröffnen und auf die ich nicht verzichten will, aber ein großer Ast der Entwicklung der Videospiele hat aufgehört zu wachsen. Gelegentlich hat Treasure ein neues Spiel herausgebracht aber sonst mussten wir uns mit Content Packs und Neuauflagen von Metal Slug und King of Fighters 94, die von vorne rein Rotz waren, begnügen. Als Xbox Live Arcade angekündigt wurde, habe ich gehofft, daß die Weiterentwicklung der 2D Spiele wieder dort aufgenommen werden kann, wo sie Mitte der 90er aufgehört hat, daß man die inhärenten Vorteile von 2D Spielen mit den Lektionen, die man inzwischen anderswo gelernt hat, und den heutigen Production Values kombiniert. Also mehr Zeugs wie Klonoa.
Wir haben jetzt nach meiner groben Rechnung 4 Jahre XBLA hinter uns und zwei Spiele, die diese Kriterien erfüllen: Bionic Commando Rearmed und Braid (N+ kratzt daran). Später gehe ich heulen. Erstmal besprechen wir Bionic Commando, weil ich es durchgespielt habe.
Bionic Commando Rearmed ist die Neuauflage der NES Version. Die NES Version kenne ich wiederum nicht, weil sie ein anderes Spiel ist als die Arcadeversion, die ich kurz in den 80ern gespielt habe, bis ich gemerkt habe, daß das Spiel zu schwierig ist, um Geld hineinzuwerfen. Ich habe noch die Spectrum oder Amstrad Version gespielt aber ihr wisst in dem Fall überhaupt nicht, wovon ich rede, weil ihr nicht so cool wie ich seid. So wie ich das verstanden habe, gibt es in der Neuauflage mehr Waffen, verbesserte Levels, neue Levels, die zum großen Teil aus Time-Trials bestehen, neue 3D-Grafik, neue und neu eingespielte Musik usw. Ich betrachte das Spiel als Neuentwicklung, während ich Street Fighter HD als Umsetzung sehe.
Das Alleinstellungmerkmal von Bionic Commando ist der Greifarm des Helden. Man kann nicht springen sondern mit den Greifarm von Plattform zu Plattform schwingen. Damit habe ich laut Statistik am Ende des Spiels trotzdem 1/3 der Spieldauer in der Luft verbracht. Der Greifarm dient auch anderen Zwecken wie Objekte und Gegner zu sich ziehen und gegnerische Geschosse abwehren.
Das Hauptspiel läuft so ab, daß man sich ein Level auf der Karte aussucht, sich bis zu einem Computerraum vorkämpft, mit dem die Endgegnertor aufschließen kann, sich bis zum Endgegner vorkämpft, einen meist richtig lustigen Dialog über sich ergehen lässt und den Endgegner besiegt. Dazu gibt es einen leichten Action-Adventure Touch, weil man Objekte, Schlüssel und Waffen findet, die den Fortschritt oder das Finden von versteckten Räumen in erledigten Levels ermöglichen.
Nebenschauplätze sind die Minilevels, die man erledigen muß, wenn man auf dem Weg von einem Level zum anderen auf der Karte gelegentlich unterbrochen wird. Die spielen sich wie Commando (ohne Bionic (auch von Capcom (kennt ihr vermutlich auch nicht))) von der von-oben-Ansicht. In regelmäßigen Abständen schaltet man Time-Trial-Levels frei. Sie dauern zwischen 5 und 50 Sekunden, sind frei von Gegnern und in Rez-Grafik gehalten.
Last but not least, gibt es einen offline Kooperativmodus, bei dem die Kamera erstaunlich wenig nervt.
"Aber ist das Spiel gut?" höre ich euch fragen. "Soll ich es mir kaufen?" die Stimmen aus der Menge vermischen sich. "Ist Bionic Commando was für mich?" "Pasco, mach mir ein Kind!". Immer mit der Ruhe! Alle eure Fragen werden beantwortet.
Fangen wir mit der Steuerung an, weil sie als erstes auffällt und Demospieler abschrecken dürfte. Sie ist nicht darauf ausgelegt, intuitiv und schnell erlernbar zu sein sondern bequem, wenn es um akrobatische Einlagen geht, und sie versucht auf diagonale Eingaben zu verzichten, was bei heutigen Pads keine so schlechte Idee ist. Der Grund, warum der Greifarm diagonal geschossen wird, wenn man steht und keine Eingabe macht oder wenn man in der Luft ist und rechts oder links eingibt, ist nicht, daß es leicht nachzuvollziehen ist, sondern daß es die Richtung ist, die man meisten braucht, wenn man sich in obigen Situationen befindet und schon wegen der vorigen Situation eine Richtung gedrückt hält. Die Umsetzung der Eingaben zu Bewegungen ist darauf ausgelegt, möglichst leicht wie Tarzan vorwärts zu kommen. Wer keine Geduld hat, sich die Eigenheiten der Steuerung anzugewöhnen (was in meinen Augen völlig legitim ist) nimmt gleich den Ausgang die Treppe runter und dann rechts. Byebye!
"OK, ich bin noch dabei. Wenn ich das beherrsche, werde ich dann unglaubliche Manöver machen und mich fliegend durch die Levels schlängeln und nebenbei Gegner ausschalten und mir cool vorkommen?" Ja... nein... vielleicht. Bionic Commando Rearmed bietet das ganze Spektrum an Qualität, was das Level Design angeht. Am Anfang des vorletzten Levels gibt es vier lange Plattformen übereinander, die absolut nichts haben außer einen Panzer, der stirbt, wenn man auf die Schußtaste hämmert. Einfallsloser geht's gar nicht. Es gab andere Stellen, bei denen ich, nachdem ich sie bewältigt habe, erstmal eine Pause machte und mich gefragt habe, ob ich es selbst war, der gerade eben das geschafft hat, was auf dem Bildschirm abgelaufen ist. Für mich gehört das zu den besten Momenten in Videospielen. Das schwache Leveldesign neigt dazu, sich im Hauptstrang des Spiels zu offenbaren, die coolen Stellen sind meist optional, also in den Time Trials oder auf dem Weg zu geheimen Räumen. Gleichzeitig sind das die schwierigeren Stellen.
Wenn man bereit ist, sich bei der Steuerung und den paar langweiligeren Momenten durchzubeissen, dann kriegt man für das Geld ein Spiel, das umfangreich, hübsch, witzig ist, mit ordentlichem Gameplay und netter Musik. Wenn man kein Einmaldurchsspielerundweg ist, dann erfreut man sich daran, daß das Spiel mit der Zeit wegen des besseren Umgangs mit der Steuerung und der Levelkenntnis spaßiger wird. Die Time Trials sind auch OK, auch wenn der Spieler meistens nicht soviel Spielraum hat wie in N+, der Co-op Modus ist cool. Ich hätte gern einen Nachfolger.
Genrefans greifen zu.
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